Ksan Historical Village and Museum – Kultur, Geschichte und Bedeutung der Gitxsan in British Columbia
1. Überblick und Lage
Das ’Ksan Historical Village and Museum (auch kurz ’Ksan Village) ist ein kulturelles Zentrum und Freilichtmuseum im Nordwesten der kanadischen Provinz British Columbia.
Es liegt am Zusammenfluss des Skeena River und des Bulkley River, nahe der Gemeinde Hazelton.
Der Name ’Ksan stammt aus der Sprache der Gitxsan (Gitxsanimx) und bedeutet „Ort, wo die Wasser zusammenfließen“.
Er bezieht sich sowohl auf die geografische Lage des Dorfes als auch auf die spirituelle und kulturelle Bedeutung des Flussgebiets für das Volk der Gitxsan.
- Adresse: 1500 Highway 62, Hazelton, BC, Kanada
- Offizielle Website: ksan.org
- Weitere Informationen: IndigenousBC.com – Ksan Historical Village
2. Historischer Hintergrund
Das rekonstruierte Dorf ’Ksan wurde Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre errichtet, um das traditionelle Leben und die Kultur der Gitxsan darzustellen.
Die Gitxsan gehören zu den First Nations der Nordwestküste Kanadas. Ihr Name bedeutet „Volk des Skeena-Flusses“ (Git = Volk, Ksan = Skeena).
Die Gitxsan leben seit Jahrtausenden entlang des Skeena-Flusses und entwickelten dort eine komplexe Kultur, die auf Fischerei (insbesondere Lachsfang), matrilinearen Clanstrukturen, Totemismus, und einer reichen oralen Traditionbasiert.
Das Projekt ’Ksan entstand in einer Zeit kultureller Wiederbelebung:
Nach Jahrzehnten kolonialer Unterdrückung (u. a. durch Internatsschulen und Missionspolitik) begannen indigene Gemeinschaften in Kanada, ihre Sprachen, Rituale und künstlerischen Traditionen neu zu beleben.
’Ksan war eine der ersten von einer indigenen Gemeinschaft selbst initiierten musealen Einrichtungen in Kanada.
- Quelle: CanadaHistory.com – Ksan Historic Village
- Quelle: University of Victoria – Chisato Dubreuil (2013): It Took More Than a Village
3. Aufbau und Architektur
Das Dorf folgt dem traditionellen Aufbau eines Gitxsan-Flussdorfes:
- Eine Reihe von Langhäusern (Longhouses) ist dem Fluss zugewandt.
- Jedes Haus repräsentiert einen Clan (z. B. Wolf, Frosch, Bär, Adler).
- Die Hausfronten sind kunstvoll bemalt und geschnitzt, häufig mit Totemfiguren, die genealogische Geschichten und mythische Abstammungslinien darstellen.
- In der Mitte befindet sich ein großes Zeremonialhaus (Chief’s House), das für Potlatches, Tänze und gemeinschaftliche Rituale genutzt wird.
Diese architektonische Anordnung drückt soziale Hierarchien, Clan-Zugehörigkeit und spirituelle Weltordnung der Gitxsan aus.
- Quelle: ksan.org – The Village
4. Das ’Ksan Museum
Dem Dorf angeschlossen ist das ’Ksan Museum, das seit den 1960er-Jahren eine bedeutende Sammlung von materieller und immaterieller Kultur der Gitxsan bewahrt.
Es umfasst über 600 Artefakte, darunter:
- Masken, Tanzkleidung, Musikinstrumente, Werkzeuge
- Rituelle Gegenstände, Knopfdecken (Button Blankets), geschnitzte Hausfronten
- Totemfiguren und Alltagsobjekte
Im Gegensatz zu westlichen Museen werden die Objekte nicht isoliert gezeigt, sondern in Erzählungen, Liedern, Tänzen und Zeremonien eingebettet.
Das Museum folgt somit indigenen kuratorischen Prinzipien, bei denen die kulturelle Bedeutung über der reinen Ästhetik steht.
- Quelle: ksan.org – Museum
5. Bildung und Weitergabe: Die Kitanmaax School of Northwest Coast Indian Art
Parallel zum Museum wurde 1969 die Kitanmaax School of Northwest Coast Indian Art gegründet.
Sie diente als Ausbildungsstätte für junge indigene Künstler*innen in den Bereichen:
- Holzschnitzerei
- Totempfahlkunst
- Maskenbau
- Gravur und Textilkunst
Die Schule trug entscheidend dazu bei, traditionelle Handwerkstechniken wiederzubeleben und sie an neue Generationen weiterzugeben.
Viele Absolventinnen wurden später international bekannte Künstlerinnen, deren Werke heute in Museen wie dem Royal BC Museum oder dem Museum of Anthropology (UBC) ausgestellt sind.
6. Spirituelle und soziale Bedeutung
’Ksan dient den Gitxsan als Ort der Erinnerung und spirituellen Kontinuität.
Die dargestellten Masken, Tänze und Totems repräsentieren zentrale Mythen und kosmologische Erzählungen, z. B.:
- die Erschaffung der Welt durch Tierwesen,
- die besondere Beziehung zwischen Mensch, Fluss und Lachs,
- die Ahnenlinien, die Rechte und Pflichten innerhalb der Clans begründen.
Diese Geschichten fungieren nicht nur als kulturelle Überlieferung, sondern auch als rechtliche Grundlage:
In der Gitxsan-Kultur sind Erzählungen, Tänze und Symbole Beweise für Landrechte, soziale Stellung und Besitzansprüche.
Das Museum vermittelt somit auch die soziale und rechtliche Ordnung der Gitxsan-Welt.
7. ’Ksan als Symbol indigener Selbstbestimmung
Seit seiner Gründung gilt ’Ksan als ein Modellprojekt indigener kultureller Souveränität in Kanada.
Es zeigt, dass indigene Gemeinschaften ihre Geschichte selbst erzählen, dokumentieren und inszenieren können – außerhalb kolonialer Museumstraditionen.
In dieser Hinsicht war ’Ksan ein Vorläufer für andere bedeutende indigene Kulturzentren, etwa:
- das U’mista Cultural Centre (Alert Bay),
- das Haida Heritage Centre (Haida Gwaii),
- das Nisga’a Museum (Lax̱galts’ap).
’Ksan steht somit exemplarisch für den Übergang von fremdbestimmter ethnografischer Darstellung zu autonomer kultureller Repräsentation.
8. Besuch heute
Das Dorf und Museum sind öffentlich zugänglich und bieten:
- Führungen durch lokale Guides (teils in Gitxsanimx und Englisch)
- Kunsthandwerksverkauf und Ausstellungen
- Kulturelle Vorführungen, Potlatch-ähnliche Darbietungen
- Einen angeschlossenen Campingplatz für Besucher
Aktuelle Öffnungszeiten, Programme und Ausstellungen finden sich auf der offiziellen Website: ksan.org.
9. Fazit
Das ’Ksan Historical Village and Museum ist ein einzigartiges Beispiel für die Wiederaneignung und Präsentation indigener Kultur in Kanada.
Es vereint Architektur, Kunst, Bildung, Spiritualität und Selbstbestimmung zu einem lebendigen Denkmal der Gitxsan-Gesellschaft.
’Ksan ist daher nicht nur ein Ort der Vergangenheit, sondern auch ein aktives Zentrum der Gegenwart — ein Symbol dafür, wie indigene Identität, Sprache und Geschichte in der modernen Welt fortbestehen können.
Wichtige Quellen (Auswahl)
- Offizielle Website – ksan.org
- IndigenousBC.com – Ksan Historical Village and Museum
- Canada History – Ksan Historic Village
- Wikipedia – Gitxsan
- University of Victoria – Chisato O. Dubreuil (2013): It Took More Than a Village: The Story of the ’Ksan Historical Outdoor Museum and the Kitanmaax School of Northwest Coast Indian Art
Copyright aller Fotos: T.BOHL